Mit dreizehn Jahren studierte er am Technion in Haifa. Heute gehört der israelische Physikprofessor Nir Shaviv zu den wenigen, die sich vom Klima-Hype distanzieren. Er entlarvt die Tricks der Wissenschaftler und erklärt, warum die Auswirkungen des CO2 auf die Erwärmung überschätzt werden.
«Viel Glück mit der Publikation», wünschte Nir Shaviv dem Reporter Doron Levin, der ihn für die Online-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Forbes interviewt und ihm anschliessend den Text zum Gegengelesen vorgelegt hatte. Der israelische Astrophysiker ahnte, dass die Redaktion den Text ablehnen würde. Denn bereits ein Jahr zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg die Veröffentlichung eines Gesprächs mit ihm über die Ursachen des Klimawandels verweigert.
Zunächst sah es so aus, als ob Shaviv die Forbes-Redaktion falsch eingeschätzt hätte. Shaviv-Zitate wie «Klimawandel hat es immer schon gegeben, und daran wird sich nichts ändern» oder «der CO2-Ausstoss spielt dabei nicht die grösste Rolle, sondern die periodische solare Aktivität» fielen der Zensur von Forbes nicht zum Opfer. Das Interview erschien online mit dem Titel «Klimaerwärmung? Ein israelischer Astrophysiker liefert eine alternative Sicht, die man nicht ohne weiteres ablehnen kann».
Der Text stiess bei den Lesern auf grosses Interesse und wurde in kürzester Zeit 40 000-mal aufgerufen. Doch während Shaviv mit seiner Familie den Strand von Tel Aviv genoss, stellte er plötzlich fest, dass Forbes das Interview nach vier Stunden vom Netz genommen hatte. Es habe den Qualitätsanforderungen der Redaktion nicht genügt, begründete die Redaktion die ungewöhnliche Sperre. Shaviv hat dafür allerdings eine andere Erklärung: Seine Thesen über den Klimawandel seien politisch nicht korrekt gewesen.
Merkwürdige Messresultate
Wir besuchen den 47-jährigen Dekan der Abteilung Physik in seinem Büro auf dem Campus der Hebräischen Universität. Ein 8-Inch-Schmidt-Cassegrain-Amateurteleskop dominiert das Zimmer und erinnert an den Ursprung von Shavivs Faszination für das Universum.
Schon als Kind habe er mit diesem Fernrohr einen Teil seiner Freizeit als Hobbyastronom verbracht, sagt er. Der Teenager war hochbegabt. Mit dreizehn Jahren studierte er bereits am Technion in Haifa, einer der weltweit führenden technischen Hochschulen, die mit dem MIT oder der ETH vergleichbar ist. Bereits zwei Tage nach seiner Matura bestand er sein letztes Bachelorexamen am Technion. Noch während seines Armeedienstes in der Elite-Einheit 8200, die auf Cybersicherheit und digitale Spionage spezialisiert ist, schrieb er seine Masterarbeit. Kaum hatte er die Uniform abgelegt, lagen seine Ergebnisse schon vor. Er habe eben stets parallel gelernt, meint Shaviv mit einem etwas verlegenen Lächeln auf die Frage, wie er das alles in so kurzer Zeit geschafft habe.
Der Sohn einer prominenten Architektin und eines renommierten Physikprofessors ist in einem Solar-Haus aufgewachsen, das seine Mutter konzipiert hatte. Energiebewusstes Verhalten war in seinem Elternhaus eine Selbstverständlichkeit: «Ich tendierte in meiner Jugend sogar dazu, Gesetze zur Lösung ökologischer Probleme zu befürworten.» Er sei deshalb «extrem überrascht» gewesen, als er aufgrund seiner Forschungen als Astrophysiker begriffen habe, dass es sich beim Klimawandel um ein viel komplizierteres Phänomen handle, als Politiker oder Medien behaupteten. Er könne beweisen, dass ein Grossteil der globalen Erwärmung nicht den Auswirkungen der Zivilisation zuzuschreiben sei.
Shaviv gehört zu den wenigen Forschern weltweit, die dem Klima-Hype etwas entgegenhalten. Im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit seiner Kollegen ist Shaviv überzeugt, dass es «keinen direkten Beweis dafür gibt, dass CO2-Schwankungen zu grossen Temperaturschwankungen führen». Das von Menschen produzierte CO2 spiele beim Klimawandel bloss eine untergeordnete Rolle. Zwischen 50 Prozent und zwei Dritteln der globalen Erwärmung seien auf die Aktivitäten der Sonne zurückzuführen, sagt er.
Dass sich das Klima verändere, streitet er zwar nicht ab. Doch das sei kein Grund zur Panik: «Al Gore führt in die Irre.» Im Film «Eine unbequeme Wahrheit» führte der ehemalige Vizepräsident der USA ein Horrorszenario vor, in dem die Menschheit mit ihren Abgasen die Atmosphäre durchlöchert.
Die meisten Klimaforscher wollen nicht wahrhaben, dass die Aktivitäten der Sonne einen grossen Einfluss auf das Klima haben, sagt Shaviv und zeigt auf eine Grafik auf seinem Bildschirm, die mit «Acht Jahrzehnte Gezeitenmessung» angeschrieben ist: «Sehen Sie, bei aktiver Sonne steigen die Meeresspiegel an, bei inaktiver Sonne fallen die Meeresspiegel. Auf kurzen Zeitskalen gelangt in erster Linie Wärme in die Ozeane, und das Wasser dehnt sich aus. Damit lässt sich der Strahlungsantrieb der Sonne messen. Er ist etwa zehnmal grösser als der Wert, den der Uno-Klimarat IPCC zugesteht.» Dieser lasse ausser Betracht, dass es einen Verstärkungsmechanismus zwischen der Sonnenaktivität und dem Klima gebe.
Der Weltklimarat versuche, mit Tricks seine vorgefassten Thesen über den Hauptschuldigen CO2 zu belegen. Aber er verwende veraltete Modelle. Zudem lasse er die solare Aktivität als wesentlichen Faktor ausser Acht, obwohl diese einen grossen Einfluss auf das Klima habe. Shaviv: «Die Klimamodelle haben den Realitätstest nicht bestanden.»
Etwas naiv sei die Annahme des Klimarats, dass das Klima nur von einem einzigen Faktor beeinflusst werde. Schlimmer noch: Der IPCC gehe davon aus, dass eine Verdoppelung des CO2-Gehalts zu einem Temperaturanstieg von 1,5 bis 4 Grad führe. Das Ausmass der Bandbreite sei verdächtig, so Shaviv. «Die Experten sind sich gar nicht sicher, welche quantitativen Auswirkungen ein CO2-Anstieg auf das Klima hat.» Merkwürdig sei zudem, dass Klimaexperten die Messresultate zu den Folgen des erhöhten CO2-Ausstosses auf das Klima, also die Klimasensitivität, seit 1979 unverändert gelassen haben.
Trotz riesiger Summen, die Forschern zur Klärung dieser wichtigen Frage zur Verfügung gestellt wurden, habe man keine neuen Erkenntnisse gewonnen. Plötzlich wird Shaviv etwas lauter: «Regierungen haben während vierzig Jahren Milliarden Dollar, Euro und früher D-Mark in die Klimaforschung investiert – und jetzt haben sie nicht mehr Klarheit als zu Beginn ihrer Forschungen.» Mit seinen Studien, so Shaviv, habe er hingegen gezeigt, dass die Klimasensitivität – die Folgen des erhöhten CO2-Ausstosses auf das Klima – am unteren Ende der Bandbreite anzusiedeln sei, nämlich zwischen 1,5 und 2 Grad.
Seine Forschungsergebnisse seien für die meisten Experten unbequem, sagt Shaviv: «Wir wissen, dass es in der Vergangenheit sehr grosse Klimaveränderungen gab, ohne dass fossile Brennstoffe verbrannt wurden.» Vor tausend Jahren, doziert er, war es auf der Erde gleich warm wie heute. Während der Kleinen Eiszeit, die vom 15. bis ins 19. Jahrhundert dauerte, war die Themse oft gefroren. Der Klimarat habe das zwar in seinen ersten beiden Berichten erwähnt. Doch ab 2001 sei dieser Hinweis plötzlich verschwunden. «Das Klima der letzten tausend Jahre wurde als konstante Grösse präsentiert, die sich erst im 20. Jahrhundert änderte. Mit dieser bewusst falschen Darstellung wollte der Klimarat sein im Voraus festgelegtes Narrativ untermauern.»
Auch die jüngste Warnung des Klimarates vor schmelzenden Eiskappen und steigenden Meeresspiegeln nimmt Shaviv deshalb nicht ernst. Im IPCC-Sonderbericht über den Ozean und die gefrorenen Komponenten des Erdsystems (Kryosphäre) ist in einem der Szenarien von einem Anstieg der Meeresspiegel «von mehreren Metern» die Rede.
Dass der Meeresspiegel ansteigen werde, streitet Shaviv zwar nicht ab. Doch er rechnet mit höchstens 20 Zentimetern Anstieg für die Dauer dieses Jahrhunderts – weil die Erwärmung bescheiden ausfallen werde. Die Schwarzmaler würden die Klimasensitivität in Bezug auf den CO2-Ausstoss zu hoch veranschlagen. Deshalb warnt Shaviv vor umweltpolitischen Massnahmen, deren Umsetzung teuer sind. «Sie ergeben keinen Sinn. Stattdessen würde ich die entsprechenden Ressourcen investieren, um das Leben der Menschen in der Dritten Welt zu verbessern», schlägt Shaviv vor.
Billiger und unbedenklicher
Dem Westen empfiehlt er trotzdem eine langsame Abkehr von fossilen Energieträgern und den vermehrten Einsatz von alternativen Energien, weil sie billiger und unbedenklicher seien. Dazu zählt er auch die Kernenergie: «Sie ist günstig, sauber und hat einen kleinen ökologischen Fussabdruck.»
Seine Aussenseiterrolle in der Klimadebatte hat Konsequenzen. Die akademische Welt behandle ihn wie einen Aussätzigen, mit dem jeder Kontakt zu vermeiden sei. Weil Anträge auf Publikationen oder Forschungsgelder jeweils einem Expertengremium vorzulegen seien, würde er regelmässig Absagen erhalten. Dabei gäbe es noch so viel zu entdecken und zu erforschen, zum Beispiel die Wirkungskette von kosmischer Strahlung und Klima. Weil sein Budget klein sei, beschränke er sich vor allem darauf, bestehende Daten auszuwerten.
Dass er mit seiner Klima-Meinung in der Minderheit ist, mache ihm wissenschaftlich nichts aus, sagt er. Er halte es mit Albert Einstein, dem man seinerzeit vorgeworfen habe, dass seine Relativitätstheorie falsch sei. Als ein Buch mit dem Titel «Hundert Autoren gegen Einstein» die Relativitätstheorie widerlegen wollte, entgegnete Einstein: «Weshalb hundert? Sollte ich unrecht haben, würde ein einzelner genügen.» Die Wissenschaft, so Shaviv, sei eben keine Demokratie: «Selbst wenn 100 Prozent aller Wissenschaftler eine bestimmte Thesen vertreten, kann eine Person, die gute Beweise für die Gegenthese hat, recht haben.»
Weltwoche 41, 10. Oktober 2019