Die Kombination von erneuerbaren Energieformen wie Solar und Wind mit Kernkraft wäre ideal. Wenn neue Reaktortypen zum Zuge kommen, kann mit Atomkraft eine zuverlässige Versorgung auf extrem lange Zeit hinaus sichergestellt werden.
Weltwoche, Horst-Michael Prasser, 24.8.2022
Die Entscheidung ist gefallen. Kernenergie und Gas sind in die Taxonomie aufgenommen, in den offiziellen Bewertungskatalog der EU, der Investitionen nach ihrer ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit benotet. Zustimmung bei den einen, Kopfschütteln, Protest, vielleicht gar Entsetzen bei den anderen. Sowohl Kernenergie wie Erdgas könnten ohnehin schon wegen begrenzter Ressourcen nicht nachhaltig sein, so die verbreitete Meinung. Beim Gas kommen die CO2-Emissionen dazu, bei der Kernenergie Radioaktivität, strahlende Abfälle und – allem voran – das Störfallrisiko. Nach Tschernobyl und Fukushima ist die Ablehnung der Kernenergie in weiten Teilen der Öffentlichkeit nachvollziehbar.
In der aktuellen Situation jedoch, wo die Energieversorgung zu wackeln beginnt, wird ein anderes Risiko stärker sichtbar: das Risiko, die Wende zu einer klimaverträglichen und zuverlässigen Energieversorgung könne ohne Kernenergie scheitern. Wer auf einen Mix aus Erneuerbaren und Kernenergie setzen will, muss sich auf das Risiko der Atomkraft einlassen.
Wie sieht es also mit der Sicherheit von Neubauanlagen aus? Jeder Reaktor ist heute so konstruiert, dass die Kettenreaktion von selbst abnimmt, wenn die Temperaturen im Reaktor ansteigen oder das Kühlmittel zu sieden beginnt. Das verhindert Katastrophen vom Typ Tschernobyl. Dort geriet die Kettenreaktion ausser Kontrolle, als zu viel Wasser verdampfte. Notkühlsysteme, die zusammen mit den erforderlichen Notstromaggregaten gebunkert aufgestellt sind, oder – noch besser – passive Systeme, die ohne externe Energiezufuhr auskommen, verhindern zudem Katastrophen wie die in Fukushima. Die Bunkerung schützt gegen Erdbeben, Überflutung und Flugzeugabstürze. Überstürzte Operator-Eingriffe werden durch selbsttätig startende Sicherheitseinrichtungen vermieden.
Die Robustheit des Containments wurde weiter erhöht, indem Einrichtungen zum Auffangen und Abkühlen einer Kernschmelze eingeführt wurden. Sie verhindern, dass das innere Containment durch die Schmelze angegriffen wird. Dazu kommen, verteilt im Gebäude, Katalysatoren, die eventuell auftretenden Wasserstoff beseitigen. Sie hätten die Explosionen in Fukushima verhindert. Kernschmelze und Wasserstoff treten aber nur auf, wenn die Notkühlsysteme trotz ihrer robusten Auslegung doch versagen sollten.
Vertrauen in Schweizer AKW
Die laufenden Schweizer Kernkraftwerke haben alle schon doppelte Containments. Das innere Containment ist druckfest und soll radioaktive Stoffe zurückhalten, das äussere Containment ist eine massive Stahlbetonhülle, die vor Einwirkungen von aussen schützt. Notstromaggregate sind im Gegensatz zu Fukushima geschützt aufgestellt. Eine Schmelzerückhaltung lässt sich bei grösseren Reaktoren nicht nachrüsten. Als Ersatz ist eine gefilterte Druckentlastung eingebaut worden, über die der Druck abgelassen werden kann, der sich im inneren Containment aufbaut, wenn eine Kernschmelze auftritt. Das geschieht über einen Filter, der radioaktive Aerosole zurückhält, damit sie nicht wie in Fukushima die Umgebung kontaminieren. Katalysatoren gegen Wasserstoff wurden nachgerüstet und zusätzliche gebunkerte Notstandssysteme angebaut – alles lange vor der Katastrophe in Japan.
Auf dieser Basis hatte eine Mehrheit des Schweizer Stimmvolks offenbar ausreichend Vertrauen in die nukleare Sicherheit, um 2017 für einen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke zu votieren. Dennoch wurde das Neubauverbot akzeptiert, obwohl Neuanlagen einen noch höheren Sicherheitsstandard aufweisen würden. Vermutlich weil angenommen wird, dass die erneuerbaren Energien, besonders der Ausbau der Solarenergie, allein für eine nachhaltige Energieversorgung ausreichen. Es ist zu hinterfragen, ob das klappen kann bei der heutigen Bevölkerungsdichte und den bestehenden Ansprüchen an den Lebensstandard, der auf einer zuverlässigen Elektrizitätsversorgung basiert. Wobei der Bedarf in Zukunft wachsen wird.
Was ist nachhaltig? Im Brundtland-Bericht von 1987, der für die Definition von Nachhaltigkeit berühmt wurde, steht: «Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.» Dabei sollen umweltpolitische, ökonomische und soziale Aspekte gleichrangig beachtet werden. Es besteht die reale Gefahr, dass menschengemachte Klimaveränderungen künftigen Generationen das Leben sehr schwermachen werden. Die schnelle Reduktion von CO2-Emissionen ist deshalb das Hauptziel der Energiewende.
Kernkraft kommt wie Solar-, Windenergie, Wasserkraft und Geothermie ohne einen kohlenstoffhaltigen Primärenergieträger aus. Es entsteht also bei der Stromerzeugung kein CO2. Im Lebenszyklus, «von der Wiege bis zur Bahre», gibt es somit nur sekundäre CO2-Emissionen. Sie treten grösstenteils dort auf, wo die Energie für Bau, Versorgung, Betrieb und Entsorgung der Anlagen noch aus fossilen Brennstoffen stammt. Sobald dieser Sektor dekarbonisiert ist, gibt es diese sekundären CO2-Emissionen nicht mehr. Dabei unterstützen sich Solar- und Kernenergie gegenseitig.
In diesem Punkt ist Kernenergie zweifellos nachhaltig, während die Entscheidung, Gas in die Taxonomie aufzunehmen, bestenfalls ein Kompromiss sein kann, wenn es um einen Übergang weg von der Kohle geht.
Für viele geht die Verminderung der Treibhausgasemissionen nicht schnell genug voran. Ein Blick auf Deutschland zeigt indessen, was passiert, wenn man den Einstieg in Solar- und Windkraft mit dem Ausstieg aus der Kernenergie kombiniert. Noch 2002 hatte Deutschland pro Jahr 150 Milliarden kWh aus Kernkraftwerken im Strommix. Der letzte Rest von etwa 34 Milliarden kWh wird Anfang 2023 wegfallen – sofern es keine Kursänderung gibt.
Erst 2019 haben Sonne und Wind erstmals genau so viel Strom geliefert wie einst die Kernkraftwerke. Damit ist ihr Beitrag zur CO2-Reduktion siebzehn Jahre lang praktisch verpufft. Aus Kohle kommen in Deutschland heute jährlich etwa 150 Milliarden kWh und etwas mehr als 150 Millionen Tonnen CO2 – mehr als das Dreifache des gesamten Schweizer Klimagasausstosses.
Solarausbau mit wenig Wirkung
Hätte Deutschland die Kernenergie wenigstens auf konstantem Niveau gehalten, dann hätte man schon vor fünf Jahren endgültig aus der Kohle aussteigen können. Abgesehen von einem Betrieb bis zum Ende der technischen Lebensdauer, hätte auch die Möglichkeit für den kontinuierlichen Ersatz älterer Werke oder sogar einen Ausbau der Kapazitäten bestanden. In Deutschland war zur Jahrtausendwende gerade die Entwicklung von zwei Reaktortypen der dritten Generation abgeschlossen.
In der Schweiz würde der Ersatz der heute laufenden Kernkraftwerke den Bau von tausend Gondosolar-Anlagen für je etwa vierzig Millionen Franken bedeuten, allfällige Energiespeicher nicht eingerechnet. Nach heutigen Kosten ergibt das vierzig Milliarden Franken. Dachanlagen wären teurer. Eine derart grosse Investition vermeidet so nicht eine einzige Tonne CO2, weil ja Kernkraft ersetzt wird.
Der gewaltige Energiegehalt im Uran ist der Grund für geringe Umweltbelastungen über den Lebenszyklus, etwa bezüglich Schadstoffemissionen, Landverbrauchs und Abfallströme. Das liegt nicht daran, dass die Kernenergie mit «netten», ungefährlichen Stoffen umgeht, sondern daran, dass pro erzeugte Kilowattstunde wenig davon verbraucht wird. Giftige Substanzen, teilweise in grossen Mengen, werden auch in der Solarzellenproduktion und beim Bau von Windkraftanlagen benötigt.
Gesundheitsschädliche, sicher zu entsorgende Abfälle und Betriebsrisiken durch potenzielle Freisetzungen gefährlicher Substanzen sind also nicht nur in der Kerntechnik ein Thema. Während Radioaktivität mit der Zeit abklingt, bleibt chemische Toxizität für immer gleich. In beiden Sektoren, in der Kerntechnik und bei erneuerbaren Energien, muss somit bei der Abfallentsorgung mit höchsten Sicherheitsstandards und sehr sorgfältig umgegangen werden. Öffentlich diskutiert wird das praktisch nur mit Blick auf die Kernenergie.
Zwei Unterschiede sind bemerkenswert: Erstens verläuft die Entsorgung chemisch-toxischer Abfälle in Tiefenlagern seit Jahrzehnten reibungslos, übrigens gerade in Deutschland, und weitgehend unter dem Radar öffentlicher Wahrnehmung, während bei radioaktivem Abfall starke Opposition besteht. Zweitens treten problematische Abfälle nicht bei der Entsorgung ausgedienter Windkraftanlagen und Solarzellen auf, sondern bei ihrer Herstellung.
Und die findet gegenwärtig hauptsächlich im Ausland statt. Kernkraftwerke dagegen sollen als inländische Stromproduzenten ihren Abfall auch im Inland entsorgen. Das verschiebt die Wahrnehmung hierzulande weiter zuungunsten der Kerntechnik. Bei der Suche nach möglichst grosser Nachhaltigkeit geht es aber um die Zukunft der Welt als Ganzes, also wären jeweils die gesamten globalen Wirkungen zu bewerten.
Entsorgungskosten im Rappenbereich
In der Schweiz sollen nach geltendem Recht ausgediente Brennelemente direkt in ein Tiefenlager gebracht werden. Die Wiederaufarbeitung ist verboten, obwohl sie das Volumen der hochaktiven Abfälle auf einen Viertel reduziert. Trotzdem gibt es eine Lösung, die zurzeit öffentlich diskutiert wird: Die Brennelemente sollen in dickwandige Stahlkanister eingeschweisst und mehrere hundert Meter tief in eine ausreichend mächtige Schicht von Opalinuston eingebettet werden. Der Abfall enthält hochaktive Spaltprodukte, den eigentlichen Abfall der Energie liefernden Kettenreaktion. Zusätzlich enthält er unverbrauchtes Uran sowie Plutonium und weiterhin Elemente jenseits des Urans, Nebenprodukte, Aktinoide genannt, die weniger stark radioaktiv sind, deshalb aber langsamer zerfallen. Viele von ihnen sind, wie das natürlich vorkommende Radon, starke Alphastrahler und sehr krebserregend.
Der Stahlkanister verhindert das Austreten der Spaltprodukte, bis sie zerfallen sind. Für Uran, Plutonium und langlebige Transurane hält der Kanister aber nicht lang genug dicht. Hier kommen der Opalinuston und die Verfüllmasse Bentonit, beides Tongesteine, zum Zuge. Sie binden die Aktinoide an sich und verhindern so, dass sie ins Grundwasser und in Nahrungsketten gelangen können.
Das ist, kurz gesagt, die geochemische Basis des Schweizer Konzepts der direkten Tiefenlagerung. Kein anderer Abfall, sei er noch so toxisch, auch nicht die Abfälle aus der Herstellung von Solarzellen und Windgeneratoren, wird je in solch stabilen Stahlbehältern eingeschweisst werden können. Die Kosten der Entsorgung wären ein Rentabilitätskiller. Bei der Kernenergie ist die Wertschöpfung bezogen auf die Menge an hochaktivem Abfall jedoch so gross, dass die gesamten Entsorgungs- und Rückbaukosten von fast 25 Milliarden Franken mit einer Rücklage von einem Rappen pro kWh gedeckt werden können. Das ist ein Vorteil der hohen Leistungsdichte von Kernbrennstoff.
Viele Reaktortypen der vierten Generation sind in der Lage, alle langlebigen Aktinoide, nicht nur Uran und Plutonium, durch Kernspaltung mit schnellen Neutronen in schneller zerfallende Spaltprodukte umzuwandeln. In Kombination mit einer erweiterten Wiederaufarbeitung – die dann natürlich nicht länger verboten sein darf – gelangen dann nur noch Spaltprodukte ins Tiefenlager. Damit sinkt die notwendige Einschlusszeit unter tausend Jahre. Das wird als Transmutation bezeichnet und ist eine Zukunftsoption für nachfolgende Generationen, wenn es darum geht, Kernenergie über ganz lange Zeiträume anzuwenden, ohne dabei immer mehr langlebige Aktinoide anzuhäufen.
Optimale Kombination der Energien
Der Ausstoss klimaschädlicher Gase muss reduziert werden. Das muss eine feste Vorgabe der Energiewende sein. Doch auch die übrigen ökologischen und ökonomischen Belastungen müssen im Interesse zukünftiger Generationen kleingehalten werden. Da ist der richtige Mix wichtig. Das Angebot von Windkraft und Solarenergie schwankt unabhängig von unserem Willen. Strebt man allein durch ihren Ausbau eine Vollversorgung an, beginnen bald der Bedarf an Stromspeichern und damit der gesellschaftliche Aufwand und der Ressourcenverbrauch zunehmend schneller anzuwachsen. Besonders die saisonale Speicherung wird zum Problem. Kernenergie rechnet sich am besten im Dauerbetrieb. Die Kosten pro produzierter Kilowattstunde steigen, wenn sie eine schwankende Stromabnahme decken soll. Denn zu viel Kernenergie würde zu oft nicht auf Volllast laufen können. Das Optimum liegt in der Mitte. Ein gewisser Anteil Kernenergie im Strommix kann helfen, übermässig grosse Investitionen in die Stromspeicherung zu vermeiden. Grosse industrielle Abnehmer können so kostengünstiger kontinuierlich versorgt werden.
Derzeit macht sich aber kaum einer die Mühe, dieses Optimum zu suchen, weil die politische Prämisse des beschlossenen Atomausstiegs nicht hinterfragt wird. Dabei steht unter Umständen die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft auf dem Spiel.
Ich behaupte ferner, dass auch ein möglichst kleiner Umweltverbrauch angestrebt werden muss. Die Vermeidung von Energiespeichern durch Kernenergie verringert den Landverbrauch bei der Errichtung von Speicherseen oder Umweltschäden durch den Bergbau für die Gewinnung von Stoffen, die man für die Speicherung braucht. Nur ein Beispiel: Lithium für Batterien. Schon allein für die Batterien für Elektroautos muss die weltweite Lithiumgewinnung gegenüber heute etwa verzwanzigfacht werden. Doch schon jetzt rufen grosse Lithiumminen Umweltschützer auf den Plan. Bei anderen Rohstoffen für Batterien wird sogar ein Mangel an Ressourcen vorhergesagt. Das sieht nach einem in der Wahrnehmung verdrängten Problem aus.
Ein weiterer Nachhaltigkeitsvorteil der Kernenergie: Im Gegensatz zu Erdgas, Kohle und besonders Erdöl steht die energetische Nutzung von Uran nicht in Konkurrenz zu anderen Verwendungszwecken. Bei fossilen Energieträgern dagegen gilt: Je schneller aus deren Verbrennung ausgestiegen werden kann, desto mehr bleibt für die stoffliche Nutzung durch zukünftige Generationen übrig.
Uran ist ein preiswerter Rohstoff. Oft wird kritisiert, dass Brennelemente für Kernreaktoren etwa einen Drittel der importierten Primärenergie ausmachen. Doch in Geld ausgedrückt, sind es nur hundert Millionen Franken pro Jahr, während gegenwärtig mehr als zehn Milliarden Franken für Öl und Gas ausgegeben werden dürften. Aus diesem einen Prozent der Kaufsumme machen die vier noch laufenden Kernkraftwerke grob gesagt etwa 30 Prozent der Elektroenergie und 10 Prozent der Endenergie, die in der Schweiz verbraucht werden. Zurzeit explodieren die Preise für Öl und Gas, während der Preis für Kernbrennstoff weitgehend konstant bleibt. Da liefert die Kernenergie einen stabilen Beitrag zu Unabhängigkeit und Stabilität der Energieversorgung.
Und Uran gibt es zunächst einmal genug. Das geht so weit, dass eine ganze Anzahl von Minen in westlichen Ländern die Produktion reduziert haben oder ganz eingestellt wurden. Uran von führenden Produzenten, wie etwa Kasachstan, ist für sie einfach eine zu starke Konkurrenz. Diese Reserven können aber jederzeit mobilisiert werden.
Die bereits für eine bergbauliche Nutzung detailliert erkundeten Ressourcen liegen gemäss der einschlägigen Veröffentlichung der NEA – IAEA Uranium Group der OECD, dem «Uranium Red Book», bei sechs Millionen Tonnen. Das reicht zur Deckung des heutigen weltweiten Bedarfs für hundert Jahre. Grundsätzliche geologische Erkenntnisse erlauben jedoch die Vorhersage, dass noch doppelt so viel konventionelle Ressourcen auf ihre Erschliessung warten.
Daneben gibt es sogenannte unkonventionelle Uranvorkommen. Der Kostenanteil der fertigen Brennstäbe beträgt etwa 0,5 Rappen pro kWh. Der Kostenbeitrag des Natururans ist gar noch geringer. Er liegt bei 0,1 Rappen. Deshalb ist es kein Problem, wenn die Urangewinnung auf lange Sicht teurer wird, auch wenn Umweltauflagen strenger werden. Fossile Brennstoffe sind nur dann wirtschaftlich interessant, wenn sie praktisch in Reinform vorkommen. Uranhaltige Erze und Gesteine sind hingegen in sehr weitem Konzentrationsbereich nutzbar. Wie auch bei anderen Spurenelementen, findet sich immer mehr Uran, je tiefer die Konzentration ist, die man wirtschaftlich ausbeuten kann.
In der Zukunft wird deshalb Uran interessant werden, das in Phosphaterzen, bestimmten Schiefergesteinen, Kohleaschen, Silber-, Kupfer- und Nickelerzen vorkommt. In vielen Fällen geht es heutzutage meist einfach auf die Asche-, Schlacke- und Abraumhalden. Das Uran in den Phosphaten gelangt mit dem daraus hergestellten Dünger auf die Felder und von dort in die Fliessgewässer. Das wird von Umweltverbänden kritisiert. Technologien für eine Abtrennung sind indes vorhanden, werden aber nicht genutzt, weil Uran aus dem «normalen» Bergbau noch immer viel billiger ist. Aus unkonventionellen Vorkommen könnte aber sehr viel Uran erschlossen – das «Red Book» gibt 39 Millionen Tonnen an –, und auch die Radiotoxizität in Altlasten aus anderen Bergbauaktivitäten könnte verringert werden.
Es kann meiner Ansicht nach kaum Zweifel an der Nachhaltigkeit solcher Unternehmungen geben. Das wäre eine klare Zukunftsoption für nachfolgende Generationen.
Zudem: Ob man es heute gut findet oder nicht – das Brüten von Plutonium aus dem nicht spaltbaren Uran 238 in Reaktoren mit schnellen Neutronen ist machbar. Das wurde mehrfach grosstechnisch demonstriert. Und es kann im selben Reaktor mit der schon besprochenen Transmutation kombiniert werden. Uran 238 ist 150-mal häufiger als das Isotop 235, das heutige Reaktoren hauptsächlich nutzen. Aus derselben Menge natürlichen Urans kann folglich bis zu 150-mal mehr Energie gewonnen werden.
Unerschöpfliche Ressourcen
Diese Technik zur Serienreife zu bringen, ist eines der Ziele der Entwicklung von Reaktoren der vierten Generation. Sie hat das Ziel, das sicherheitstechnische Niveau und die Wirtschaftlichkeit von Reaktoren der dritten Generation zu erreichen und möglichst noch zu überbieten. Das dreimal häufigere Thorium wäre eine noch weitreichendere Quelle von Kernbrennstoff.
Brüten erschliesst unerschöpfliche Kernbrennstoffressourcen, weil heutzutage völlig uninteressante Uranvorkommen plötzlich wirtschaftlich und umweltverträglich genutzt werden könnten. Grosse Mengen von Uran 238, Rückstände der Urananreicherung, könnten ohnehin Brennstoff für viele Jahrhunderte darstellen. Und zu guter Letzt könnte auch das im Meerwasser enthaltene Uran wirtschaftlich genutzt werden.
Zukünftige Generationen könnten Kernenergie somit praktisch für immer betreiben. Sollten zunehmend Probleme mit einer Vollversorgung der Menschheit aus erneuerbaren Energiequellen auftreten, so wird die Bereitschaft wachsen, Reaktoren der vierten Generation und geschlossene Brennstoffzyklen in einen nachhaltigen Energiemix einzubeziehen. Kernenergie und insbesondere die heutige Forschung zu neuen Reaktortypen schaffen Optionen für künftige Generationen und nicht das Gegenteil.
Versorgungssicherheit ist auch ein Element der Nachhaltigkeit. Wenig nachhaltig sind oft Monokulturen, weil einzelne unvorhergesehene Hürden, Engpässe und Rückschläge zum Knock-out führen können. Diversität verleiht einem System Stabilität. Eine Monokultur von Solarenergie ist meiner Meinung nach ebenso wenig nachhaltig wie der Glaube, der Ausbau der Kernenergie sei der einzig gangbare Weg. Mir erscheint die Fortsetzung ungebremsten wirtschaftlichen Wachstums ebenfalls nicht nachhaltig. Ein besonnenerer Umgang mit den knapper werdenden Ressourcen erfordert auch ein Umdenken beim Konsum. Wenn ich etwas nennen darf, was mit absoluter Sicherheit nicht nachhaltig ist, so ist es Krieg.