Ökonomen schlagen seit je vor, Schädigungen der Natur mit Abgaben zu bestrafen und dadurch das Verhalten der Menschen zu ändern. Ist das sinnvoll?
Die Volkswirtschaftslehre befasst sich schon seit Anfang der 1970er Jahre, also seit beinahe fünfzig Jahren, intensiv mit der natürlichen Umwelt. Die Verschmutzung der Gewässer und der Luft ist schon damals als wichtiges Problem erkannt worden. In umfangreichen Forschungen wurden die Gründe für die Belastungen der Umwelt und die Möglichkeiten zur Eindämmung dieser Schäden untersucht. Seit langem ist die Umweltökonomie ein anerkanntes Fach innerhalb der Volkswirtschaftslehre und wird an wohl allen sozialwissenschaftlich orientierten Universitäten und Fachhochschulen gelehrt.
Ein besonders starkes Gewicht legt die Umweltökonomie darauf, möglichst wirksame Massnahmen zum Erhalt der natürlichen Umwelt zu erarbeiten. Ausgangspunkt ist immer der Mensch in der Gesellschaft, also keineswegs die Bedürfnisse der Wirtschaft oder der Technologie. Menschen werden als vernünftige Wesen angesehen, die durchaus fähig sind, bei ihren Handlungen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen.
Wirksame Signale
Die Menschen beeinträchtigen die Umwelt, weil deren Verschmutzung oder gar Zerstörung den Unternehmen und den Konsumenten keine Kosten verursacht. Diese «negativen externen Effekte» bewirken, dass die Natur übernutzt wird. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Verursacher sind sich oft gar nicht bewusst, dass sie die Umwelt schädigen; sie sind unzureichend oder falsch informiert; sie sind zu nachlässig oder zu bequem, sich mit den negativen Auswirkungen ihres Handelns auseinanderzusetzen; oder sie zerstören bewusst die Umwelt, um sich dadurch anderweitige Vorteile zu verschaffen.
Aus diesen Gründen wird die Schädigung der Umwelt bestraft, indem eine Umweltabgabe oder Umweltsteuer erhoben wird. Dies veranlasst die Menschen, die entstehenden Beeinträchtigungen der Natur bei ihrem Handeln zu berücksichtigen. Die Wirkung einer solchen Umweltabgabe mag als wenig wirksam angesehen werden. In aller Regel führt sie jedoch zu einem umweltschonenden Verhalten von Produzenten und Konsumenten. Als für die Abgabe eines Plastiksackes ein minimaler Preis von fünf Rappen eingeführt wurde, verminderte sich dessen Gebrauch um 80 Prozent. Solange etwas gratis ist, bedient man sich schamlos, und auch ein ganz geringer Preis dient als Signal, dass die unnötige Verwendung von Plastik der Umwelt schadet.
Eine Umweltabgabe bewirkt nicht nur ein umweltfreundlicheres Verhalten, sondern gibt auch einen monetären Anreiz zu technologischen Verbesserungen im Umgang mit der Natur. Dieser Effekt ist von grosser Bedeutung. Die Akteure sind von sich aus bestrebt, solche Innovationen zu schaffen und anzuwenden; Aussenstehende – etwa die staatlichen Entscheidungsträger – sind dazu kaum fähig, weil sich ja zukünftige Innovationen nicht voraussagen lassen (denn dann wären sie ja schon erfunden).
Die Umweltabgabe hat umso höher zu sein, je schwerwiegender die Umwelt geschädigt wird. Zur Erfassung der Beeinträchtigung hat die Umweltökonomie ausgefeilte Methoden entwickelt. Die meisten beruhen auf sorgfältigen Befragungen der Menschen, die durch die Umweltschäden betroffen sind, also etwa durch die Verschlechterung der Luft- und Wasserqualität, den Lärm und Unfälle infolge des Verkehrs oder durch den herumliegenden Abfall. Noch besser geeignet sind die kürzlich entstandenen empirischen Schätzungen mittels Glücksfunktionen. Dabei wird erfasst, wie die subjektive Lebenszufriedenheit der Menschen durch ihre materielle Situation, Gesundheit, Sicherheit und eine Fülle anderer Faktoren beeinflusst wird. Dazu zählt auch die Güte der natürlichen Umwelt, wobei zu Recht auch die von Experten vorausgesagte zukünftige Veränderung des Klimas berücksichtigt wird.
Aus offensichtlichen Gründen können die Umweltschäden mit derartigen Methoden nur annäherungsweise bestimmt werden. Die Abgaben für umweltschädliches Verhalten sind deshalb schrittweise anzupassen: Werden die Schäden als zu hoch angesehen, sind die Abgaben zu erhöhen, ansonsten können sie auch gelockert werden. Die Berechnung der Schäden ist schwierig, aber dringend notwendig. Sicherlich ist sie pauschalen Forderungen nach drastischen Eingriffen vorzuziehen, die viele Einflüsse – insbesondere auf das materielle und soziale Wohlergehen – unberücksichtigt lassen.
Umweltabgaben können nur wirken, wenn sie sorgfältig angewendet werden. Die politische Ökonomie der Umwelt hat sich vertieft mit den Widerständen gegen eine wirksame Umweltpolitik befasst. Diese führt nicht nur zu Gewinnern infolge einer besseren Umwelt, sondern auch zu Verlierern, die sich dagegen politisch zu wehren suchen oder die Anwendung der Umweltabgaben verzögern oder umgehen. Ein Beispiel sind die gutorganisierten Bauern, weil sie ihren Ertrag nicht mehr im gleichen Umfang durch den Einsatz von Pestiziden steigern können.
Die anderen Länder tun es ja
Pläne oder Deklarationen zum Schutz der Umwelt, wie sie an internationalen Konferenzen beschlossen werden, sind gut gemeint, jedoch wirkungslos, wenn sie nicht effektiv umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere bei globalen Umweltschäden, wie sie durch CO2 verursacht werden. Es ist empirisch nachgewiesen worden, dass Länder, die sich nicht oder nur unvollständig an die Beschlüsse halten, ihr umweltschädliches Verhalten noch verstärken, weil die anderen Länder ja für eine bessere Umwelt sorgen. Die von der Umweltökonomie vorgeschlagenen Umweltabgaben haben einen willkommenen Nebeneffekt. Die Staatseinnahmen steigen, wodurch andere Steuern vermindert oder teure Massnahmen zum Umweltschutz finanziert werden können.
Die Wirtschaftswissenschaft schlägt somit gutgeeignete Massnahmen für eine verbesserte Umwelt vor – nur sollten sie von der Politik auch umgesetzt werden. Dabei steht nicht etwa isoliert nur das zukünftige Klima im Vordergrund, sondern auch immer der Mensch mit seinen vielfältigen Bedürfnissen.
Bruno S. Frey ist ständiger Gastprofessor an der Universität Basel und Forschungsdirektor bei CREMA (Center for Research in Economics, Management and the Arts). Mit der Veröffentlichung seines Buches «Umweltökonomie» zählte er Anfang der siebziger Jahre zu den ersten Wirtschaftswissenschaftlern, die im deutschen Sprachraum die ökonomische Theorie auf Umweltfragen anwandten.