Freiheit oder Wohlstand – was wollt ihr?
Gutes zu tun, kann man nicht an den Staat delegieren, Gutes kann auch nicht «in die Wege geleitet» werden. Gutes muss man selber tun. Und die einzige Voraussetzung, die es dazu braucht, ist Freiheit. Die Freiheit zu haben, Gutes zu tun, bedingt aber auch, die Freiheit zuzulassen, dass Schlechtes getan wird. Eine Gemeinschaft kann dem Schlechten Grenzen setzen in schweren Fällen wie Körperverletzung oder Tötung. Aber wer Ansprüche an das Gute stellt, begrenzt das Gute. Wörter wie «Sozialverträglichkeit» und «Nachhaltigkeit» gehören nicht in unsere Gesetze. Wenn die Regulierung des Schlechten ausufert, mündet sie in die Einschränkung des Guten.
Der Staat hat keine Gefühle
Das Wohlergehen eines Volkes misst sich nicht an den Sozialausgaben eines Staates, sondern daran, wie viele Menschen in diesem Volk Gutes tun. Entscheidend für das Wohlergehen eines Volkes ist somit nicht die Sozialpolitik, sondern die Freiheit eines jeden Einzelnen, das tun zu können, was er für gut empfindet. Es ist etwas anderes, ob man seine Zeit ehrenamtlich für Gutes hergibt, ob man Geld verdient und dann mit einem Teil davon etwas Gutes tut oder ob man als Angestellter der Sozialverwaltung oder einer Umweltbehörde Lohn bezieht und sich für jede gute Tat bezahlen lässt. Der Staat hat keine Gefühle. Und schon gar nicht ist er sozial. Der einzelne Mensch ist sozial. Wer Freiheit will, muss deshalb auf staatliche Wohlfahrt verzichten können. Freiheit schafft Wohlstand. Aber aus Wohlstand ist noch nie Freiheit geboren worden. Was wollen wir der nächsten Generation weitergeben? Freiheit oder Wohlstand? Sollen unsere Kinder frei zur Welt kommen oder nur sorgenfrei? Jeder erachtet etwas anderes als gut. Durch die Vielfalt unter den Bürgern ist deshalb am besten gewährleistet, dass sehr viel verschiedenes Gutes getan wird. Und wenn es Bürger gibt, welche ihr Geld nicht für das Richtige einsetzen, so kann man nur sagen, dass es ihr eigenes Geld ist. Wenn Politiker aber Geld falsch einsetzen, tun sie das nicht mit ihrem eigenen Geld, was umso verwerflicher ist. Wir können nicht mehr tun, als jeder Einzelne leisten kann. Wenn jemand einem anderen Geld geben will, dann muss er erst arbeiten gehen, um das Geld zu verdienen. Wer nichts hat, kann auch nichts geben. Wer etwas Gutes tun möchte und dafür Steuern eintreibt, hat nichts Gutes getan, sondern nur anderen die Möglichkeit genommen, selber mit ihrem Geld Gutes zu tun. Wer einen Flüchtling beherbergen will, ist ein grossartiger Mensch. Aber er muss in seinem Haus Platz machen für diesen Flüchtling. Einen Flüchtling aufnehmen und dann den Nachbarn für die Kosten aufkommen lassen, ist nicht grossartig, sondern schafft Unfrieden. Und vor solchem ist der Flüchtling geflohen. – Da wir schon in Freiheit geboren worden sind, versprechen uns die Politiker Sicherheit. Ein Versprechen, welches sie weder garantieren noch halten können. Sicherheit ist immer ein verdächtiges Versprechen und ein typisches für Machtbesessene: «Gebt mir Macht, dann gebe ich euch Sicherheit.» Selbst die NZZ redet, wenn sie über die Demokratie schreibt, nur noch von einer Mitwirkung des Volkes an der Politik. Als ob Politik seit je eine Sache der Politiker gewesen sei und diese in der Schweiz die Grosszügigkeit besässen, das Volk mitbestimmen zu lassen. Demokratie ist das Gegenteil davon. Das sich selbst regierende Volk leistet sich eine Verwaltung, die das öffentliche Gut pflegt. Da Interessenkonflikte besprochen werden müssen, bildet man ein Milizparlament und entsendet Delegierte, welche aus Interessengruppen stammen. Berufspolitiker, welche sich ihre Interessengruppen selber suchen, indem sie sich ein Interessenprofil mit möglichst breitem Zustimmungspotenzial zurechtlegen, schaden der Demokratie. Sie versprechen vor allem allen von allem immer mehr, nur um gewählt zu werden, sei es aus Macht- oder Profitgier. Parlamentarier ist zu einem hervorragend bezahlten Job mit einmaligen Privilegien und Aussichten auf lukrative Mandate geworden. Professionelle Politiker haben nichts mit Politik zu tun, sondern nur mit Macht und Geld. Berufspolitiker sind einen Schritt weg von der Demokratie hin zur Parteidiktatur. In Deutschland ist die CDU schon nicht mehr von der SPD zu unterscheiden. Man kann in Deutschland noch Politiker wählen, nicht mehr aber die Politik. Was wir wollen, ist Freiheit. Nicht mehr. Die einzige Sicherheit, die wir uns geben können, ist die Zusage der gegenseitigen Nichteinmischung. Das garantiert Selbstbestimmung. Und nur diese führt zu verantwortungsvollem Handeln. Sie lässt auch verantwortungsloses Handeln zu, aber dieses wird durch die Zentralisierung der Macht auch nicht verhindert, im Gegenteil, Machtballungen ermöglichen es der Verantwortungslosigkeit erst, mächtig zu werden.
Richtig und falsch
Oder wie ist es möglich, dass verantwortungslos agierende Banken von der mächtigen Hand der Parlamente vor dem Konkurs geschützt werden? Und wie ist es möglich, dass die NZZ diese Aushebelung des freien Marktes auch noch befürwortet? Wenn die Fehler der Marktteilnehmer vom Markt nicht mehr korrigiert werden können, dann befinden wir uns auf dem Weg zur Planwirtschaft. Sie ist erneuerungsfeindlich und innovationshemmend. Dass grosse Fehler von grossen Banken sich nicht mit kleinen Korrekturen beheben lassen, ist zwar schade, aber man muss schon zweimal in die verkehrte Richtung denken, um zum Schluss zu gelangen, wenn man den Banken die Gefahr des Scheiterns nimmt, würden sie auch keine unnötigen Risiken mehr eingehen. Auch der Markt lebt von der Freiheit, sowohl das Richtige wie auch das Falsche zu tun. Die Meinungen über Richtig und Falsch liegen so diametral auseinander, dass erst das Resultat zeigt, welcher Weg zum Erfolg führt. Man muss das, was einem nicht passt, nicht verbieten, es reicht, wenn man es selbst nicht tut.
Andreas Thiel ist Kabarettist, Satiriker und Publizist.
Dieser Artikel ist am 5. Oktober 2012 in der NZZ erschienen