Massvolle CO2-Abgaben sind vernünftig. Doch die Klimaretter gehen weiter. Ihre Forderungen sind entlarvend, übertrieben und wenig durchdacht.

Beim Klimawandel fordern nun viele, was Ökonomen schon lange predigen: Kostenwahrheit. Wer Treibhausgase und damit Klimaschäden verursacht, soll die Kosten tragen. Doch die Einigkeit trügt. Unter Kostenwahrheit wird völlig Unterschiedliches verstanden.

Ökonomen sehen es so: Die Wohlfahrt der Menschen soll erhalten und gesteigert werden. Wohlfahrt schafft alles, was den Menschen wichtig ist, also nicht ausschliesslich Einkommen oder ausschliesslich Umwelt, sondern Einkommen, Umwelt und vieles andere zusammen. Folglich muss zwischen all diesen Güter vernünftig abgewogen werden. Genau dazu dient Kostenwahrheit. Sie gibt allen Handlungsträgern Anreize, neben den eigenen Vor- und Nachteilen auch die gesellschaftlichen Auswirkungen ihres Handelns, die «externen Effekte», zu berücksichtigen.

Obamas Auftrag

Ohne Kostenwahrheit versagen nicht nur die Märkte, sondern auch die Politik: Wer die Kosten seines Tuns nicht selbst tragen muss, konsumiert und produziert zu viel und stellt unsinnige politische Ansprüche. Deshalb müssen allen Handlungsträgern ihre externen Effekte mittels Preisen zugerechnet und so «internalisiert» werden. Im Klimabereich braucht es dazu CO2-Steuern. Dafür müssen die globalen Schäden pro Tonne CO2 geschätzt werden. Solche Schätzungen sind nie perfekt, aber immer besser, als Schäden von Null anzunehmen oder in Panik zu regulieren.

Für die zukünftigen Schäden der Klimaerwärmung gibt es umfangreiche wissenschaftliche Schätzungen, die auch in den Weltklimarat-Berichten dargelegt werden. Darauf aufbauend, schätzte in den USA eine breitaufgestellte offizielle Kommission im Auftrag von Präsident Obama die globalen Klimaschäden auf 42 Dollar pro Tonne CO2. Nun verlangt eine Gruppe von über 3500 Ökonomen mit 27 Nobelpreisträgern und dem Notenbankchef sowie allen seinen noch lebenden Vorgängern eine volle Internalisierung der Klimaschäden. Entsprechend der wissenschaftlichen Literatur fordern sie eine Steuer von rund 40 Dollar pro Tonne CO2. Diese soll mit der Zeit steigen, da die Schäden mit der Wirtschaft mitwachsen. Zugleich soll ein grosser Teil der heutigen Regulierungen im CO2-Bereich aufgehoben werden. Denn wenn die gesellschaftlichen Kosten der Emissionen mittels CO2-Steuern ganz internalisiert werden, werden sie von den Wirtschaftssubjekten voll berücksichtigt. Dadurch werden die meisten weiteren Regulierungen überflüssig bis schädlich.

Übertragen auf die Schweiz, entspricht das einer Steuer von rund 40 Franken pro Tonne CO2. Das ist weniger als die Hälfte unserer heutigen CO2-Abgabe. Allerdings sollte eine solche Steuer für alle Verursacher gelten – ohne die heutigen Ausnahmen und Schlupflöcher für Gross-Emittenten. Bei Schweizer Jahresgesamtemissionen von zurzeit 38 Millionen Tonnen CO2 würde eine Kostenwahrheit schaffende Steuer jährlich rund 1,5 Milliarden Franken einbringen. Eine solche Belastung entspricht etwa einem halben Mehrwertsteuerprozent und wäre damit gut tragbar. Das bliebe die Steuer auch, wenn sie aus einer gewissen Vorsicht leicht über den gegenwärtigen Schadenschätzungen angesetzt würde.

Es ist vorauszusehen: Die 40 Franken pro Tonne würden in der Schweiz mit ihren schon sehr niedrigen Emissionen keine radikalen, sondern nur moderate Verhaltensänderungen herbeiführen. Was wäre dann zu tun? Die ökonomische Antwort ist einfach: Nichts. Indem die externen CO2-Kosten eingepreist und damit internalisiert wurden, ist die Kostenwahrheit, die Balance gegeben. Es findet eine schrittweise, stetige Entwicklung zu immer tieferer CO2-Intensität statt.

Viele Klimaretter werden jetzt aufschreien und höhere Abgaben, höhere CO2-Preise fordern, um die gewünschten politischen Ziele schneller und radikaler zu erreichen. Das aber wäre eine Missachtung des Prinzips der Kostenwahrheit und würde vor allem eines zeigen: Vielen Aposteln der Kostenwahrheit geht es eben nicht um echte Kostenwahrheit und vernünftiges Abwägen, sondern um fixe Reduktionsziele und übertriebene erzieherische Massnahmen, die nicht mit realistischen Schadenschätzungen begründbar sind. Andere Aktivisten wollen Umweltsteuern zur Umverteilung. Und manche wollen schlicht Subventionen für ihre eigenen Geschäfte.

Grosse Budgetüberschüsse

Eine solche Missachtung des Prinzips der Kostenwahrheit ist leider nichts Neues. Beim Thema Klima droht in der Schweiz eine sehr teure Überinternalisierung möglicher Klimaschäden. Meistens allerdings werden die externen Kosten bestimmter Tätigkeiten unter-, also zu wenig internalisiert.

Das gilt insbesondere für den Verkehr. Gemäss Schätzungen des Bundes trägt der motorisierte Privatverkehr zwar seine gesamten Betriebs- und Infrastrukturkosten selbst, verursacht aber Externalitäten von rund 7,5 Milliarden Franken jährlich in Form von Umwelt-, Unfall- und Lärmschäden – ohne Klimaschäden.

Noch unvorteilhafter sieht es für den öffentlichen Verkehr aus. Er kostet die Allgemeinheit rund 8 Milliarden Franken, insbesondere durch die Belastung der öffentlichen Haushalte. Da der ÖV aber nur rund einen Fünftel der Verkehrsleistung des Privatverkehrs erbringt, verursacht er pro Personenkilometer etwa fünfmal so hohe Externalitäten wie der Privatverkehr.

Volle Kostenwahrheit würde also heissen, dass die CO2-Emittenten jährlich 1,5 Milliarden Franken, die Nutzer des Privatverkehrs 7,5 Milliarden und die Nutzer des ÖV 8 Milliarden zahlen müssten. Dann wäre Kostenwahrheit wirklich voll realisiert.

Die Folge wären grosse Budgetüberschüsse, mit denen viele andere dringende Probleme gelöst und zugleich die anderen Steuern massiv gesenkt werden könnten. Dank den durch die Kostenwahrheit ausgelösten Verhaltensänderungen und technischen Entwicklungen würde wohl auch der Klimawandel langfristig weit wirksamer und effizienter eingegrenzt als durch jede andere Politik. Die Schäden durch Luftbelastung, Unfälle und Lärm würden schnell sinken.

Einziger Wermutstropfen für gewisse Kreise: Weniger Schäden bedeuten auch weniger Umweltsteuereinnahmen.

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg (Schweiz) und Forschungsdirektor des Center for Research in Economics, Management and the Arts (CREMA).

David Stadelmann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Research Fellow von CREMA und Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.